Die Liebe zu den kleinen Dingen
Alice hatte Ausgang. Sie wunderte sich über nichts mehr. Doch den Blick für´s Detail hatte sie nicht verloren. Wie schön und wundervoll sich der Frühling zeigte. Hier am Niederrhein. Wo anders sollte es wohl ähnlich sein, hatte sie gehört. Alles blühte und die Erde wurde osterbunt. Doch das sollte ausfallen: Ostern. Jedenfalls so wie es sonst immer war.
Der Himmel strahlte in einem satten Blau ohne ein einziges Wölkchen am Himmel. Und kälter war es geworden in den letzten Tagen. Noch kälter fühlte es sich an durch den Südost-Wind. Da kam ihr sofort der kalte Osten in den Sinn, so wie sie ihn erlebt hatte als Kind. Das war sie so gar nicht gewohnt vom milden Niederrhein. Hier war Alice wie eine kleine Mimose aufgewachsen, jedenfalls was die Kälte anging, die sie so nicht kannte und vielleicht deshalb so empfindlich war in dieser Hinsicht. Doch heute mochte sie sogar diese Kälte, die eine klare Frische mit sich brachte. Und Schal und Mütze und ihr flotter Gang wärmten sie und machten ihren Kopf frei und sie fühlte sich besser und sie konnte sich sogar in diesen Zeiten erfreuen auf ihrem Weg durch die Felder. An dem zarten Grün, das sich mit dem blauen Himmelszelt zu einem wunderbaren Bühnenbild vereinte.
Auch Jette fand es sehr kalt, als sie sich um den Müll kümmerte. Sie war froh, als sie wieder ins Haus trat. Brr, dachte sie. Aber gut, dass der Müll noch abgeholt wurde. Die Zeit fühlte sich an, als sei sie mitten in einen Science-fiction-Film geraten. Dieses Genre lag ihr sowieso nicht. Sie las so etwas nicht. In diesem Genre zu Schreiben schien ihr geradezu unmöglich. Doch wenn sie sich jetzt so den jetztigen Zustand der Welt durch den Kopf gehen ließ, das fühlte sich sehr danach an und dann waren solche Texte auch nicht mehr so unwahrscheinlich.
Märchen hatte sie gemocht als Kind, sehr sogar. Doch die gingen oft auch nicht gut aus. Und das hier? Wer weiß das schon. Selbst die Wissenschaftler waren sehr unsicher. Jedoch denen glaubte Jette noch am ehesten. Sogar Alice wurde da ganz realistisch und verließ sich nicht mehr auf´s Wundern.
Die Kamelien blühten, als sei ein Wettbewerb zu gewinnen. Die Menschen kauften Nudeln und Toilettenpapier als gäb es kein Morgen mehr. Jette dachte, zur Not haben wir Zeitungspapier, davon war genügend im Haus. Das brachte ihr Job so mit sich und der Humor flog hier auch immer durch die Zimmer des Hauses. Gut so. Gott sei Dank.
Und Nudeln? Die Leute hatten Ideen, die kamen nicht mal Alice in den Sinn. Wer hatte mal gesagt, dass Nudeln glücklich machen? Vielleicht war da ja was dran.
Ah, schön warm hier im Haus und die erste Tasse Kaffee ganz allein, dachte Jette und gähnte. Sie hatte viel von Alice gelernt und war neugierig, was Alice erzählen würde, wenn sie wieder zu Hause war. Ihre Ausflüge glichen Abenteuern und waren die besten Geschichten überhaupt. Manchmal konnte Jette nicht glauben, was sie da hörte und doch wunderte sie sich dann über diese vielen kleinen Einzelheiten, die nicht erfunden worden sein konnten. Aber wer weiß das schon. Ach, und dann gleich den gemeinsamen Capuccino, und Nudeln brauchten sie jetzt langsam doch auch, damit sie glücklich blieben.
©geertjens ©wandelsinn
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